Gesetzesentwurf: Messertrage-Verbotsgesetz (MT-VG)
Einleitung
Wie bereits vor einem Monat angekündigt und auch hier im Blog beschrieben, wurde vonseiten des Bundesministerium für Inneres ein Gesetzesentwurf für ein Messerverbot angekündigt. Mittlerweile liegt ein erster Entwurf (!) des Messertrage-Verbotsgesetz vor, der die Stoßrichtung vorgibt. Entgegen erster Aussagen regelt dieser Entwurf nämlich nicht den Besitz bzw. die Verfügbarkeit von Messern, sondern fokussiert sich primär auf das Tragen selbiger.
Unter dem Titel “Messertrage-Verbotsgesetz (MT-VG)“, werden somit nicht gewisse Messertypen reguliert, sondern das Führen im Alltag. Aufgrund dieses Entwurfs zeigt sich die Problematik der Regulierung von Messern und auch, dass man sich nicht auf die Versprechen und Aussagen politischer Entscheidungsträger:innen verlassen darf.
Die vorgeschlagenen Eingriffe in den Alltag der Messerbesitzer und Messerbesitzerinnen sind nämlich umfassender als angekündigt, auch wenn die Regulierung auf den ersten Blick ausbalanciert und harmlos wirken mag.
Das Messertrage-Verbotsgesetz
Was sind die relevanten Punkte im besagten Gesetzesentwurf? Zunächst einmal, geht es darum, das Führen des Messers an sich zu beschränken. Nicht irgendeinen Typus von Messer (feststehend oder Klappmesser, Einhand- oder Zweihandmesser, Slipjoint, Backlock oder Springmesser etc. etc.) sondern Messer in all ihren Erscheinungsformen. Hier zeigt sich, dass es rechtlich extrem schwer ist eine Linie zu ziehen.
Aus diesem Grund werden Messer pauschal unter §1. (2) als “Gegenstände” definiert, “die aus einer Klinge und einem Griff bestehen sowie zum Schneiden, Stechen oder Hauen bestimmt sind.”
Des Weiteren ist das Tragen von Messern an öffentlichen Orten verboten. Dies umfasst:
- Ortsgebiete
- geschlossene bebaute Gebiete, außerhalb des Ortsgebietes,
- Park- und Sportanlagen
- Freizeitparks und -anlagen
- Veranstaltungen im Sinne der Landesgesetze,
- öffentlichen Verkehrsmitteln
- Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen
Geschlossene bebaute Gebiete werden als bebaute Gebiete mit mindestens 5 Wohnhäusern definiert.
Somit ist ein Tragen von Messern nur erlaubt, sobald man das Ortsgebiet (Städte, Dörfer, Siedlungen etc.) verlässt.
Es stellt sich also die Frage, wie “Tragen” definiert wird.
Das MT-VG beschreibt Tragen als “bei sich” haben. Eine äußerst vage Definition mit viel Spielraum. Deshalb wird durch zwei Punkte eingegrenzt.
Einerseits, wenn man ein Messer innerhalb von Wohn- und Betriebsräumen “bei sich hat” und andererseits, wenn man es zum Zwecke des Transports in einem Behältnis von A nach B transportiert.
Das “Behältnis” wird nicht näher erklärt. In den Medien kursieren Aussagen des Ministeriums, die von Säcken bis hin zu Rucksäcken reichen. Der springende Punkt ist jedoch, dass das Messer nicht griffbereit sein darf.
Ausnahmen – und davon gibt es reichlich – sind die folgenden Umstände bzw. Personen:
- Inhaber einer Waffenbesitzkarte (WBK) – hier war zunächst unklar, ob ein Waffenpass gemeint ist oder nicht, aber das Gesetz nennt explizit WBKs.
- Personen, die geladene Schusswaffen führen dürfen – Waffenpassinhaber, Exekutivbeamte, Soldaten.
- Berufsausübende – Handwerker und jene Personen, die ein Messer für eine gewisse handwerkliche Tätigkeit benötigen (bezahlte Arbeit ist kein Muss).
- Normales Besteck ist ausgenommen.
- Sportausübung, Brauchtumspflege, historische Veranstaltungen etc.
- Outdoor Aktivitäten mit pädagogischen Zweck wie Pfadfinder.
- Verkauf auf Messen
- Film- und Theaterproduktionen
Rechtliche Konsequenzen
Wer gegen dieses (noch nicht beschlossene) Gesetz verstoßen würde, sieht sich mit einer Verwaltungsübertretung konfrontiert und kann dementsprechend mit bis zu 3600€ Bußgeld oder einer Freiheitsstrafe von bis zu 6 Wochen bestraft werden.
Es soll an dieser Stelle nicht das gesamte Gesetz analysiert oder erklärt werden. Das Dokument befindet sich als Anhang am Ende des Artikels und kann in Ruhe durchgelesen werden.
Es fallen jedoch zwei Paragraphen auf, die weit über das Ziel hinausschießen und unverhältnismäßig sind.
Fragwürdige Paragraphen
Zwei Punkte im MT-VG fallen auf, die einerseits besorgniserregend sind und andererseits unverhältnismäßig:
Paragraph 5 gibt Exekutivorgane eine umfassende Ermächtigung für eine Durchsuchung der Kleidung, Fahrzeuge und Behältnisse von kontrollierten Personen! Hierzu bedarf es entweder konkreter Hinweise, dass ein Verstoß gegen das MT-VG vorliegt ODER “sonstige bestimmte[r] Tatsachen”.
Des Weiteren stellt sich die Frage, wieso Behältnisse wie Rucksäcke und dergleichen kontrolliert werden dürfen, wenn ein Transport eines Messers in selbigen sowieso erlaubt ist!
Paragraph 6 regelt in drei Sätzen, dass der Besitzer/die Besitzerin des Messers bei einem Verstoß gegen das Gesetz das Messer unwiederbringlich verliert.
Es “verfällt” und geht in den Besitz des Staats Österreich über. Man wird also sprichwörtlich und buchstäblich enteignet. Ein ähnliches Vorgehen gibt es bislang nur bei Tat-Gegenständen und Pyrotechnik sowie im Waffengesetz bei der Vererbung verbotener Waffen wie Pumpguns.
Irreführende Kommunikation und ambivalente Gefühle
Der geleakte Entwurf des Messertrage-Verbotsgesetz hinterlässt ambivalente Gefühle. Auf der einen Seite werden zwar keine Messertypen verboten und gesetzestreue Bürger und Bürgerinnen müssen lediglich darauf acht geben, ihre Messer nun nicht mehr in der Hosentasche zu führen, sondern in der Umhängetasche oder im Rucksack.
Auf der anderen Seite grenzen die Ausnahmen und die Kommunikation des Ministeriums an Absurden. So wurde z.B. kommuniziert, dass “Hirschfänger” mit einer Klingenlänge ab 20 cm weiterhin zur Brauchtumspflege am Kirtag getragen werden dürfen – was aber mittels Hausordnungen verboten werden kann (und damit auch nicht Sache des Bundes ist). Nicht zu vergessen sind auch Waffenverbote bei Menschenansammlungen, Demonstrationen oder Versammlungen, im Zuge welcher Waffen und gefährliche Gegenstände sowieso verboten sind (§9a Versammlungsgesetz). Letzter Punkt ist auch Sache der Länder und nicht des Bundes.
Das Ministerium musste jedenfalls noch am selben Tag beruhigend im Rahmen der Pressearbeit einschreiten, da (auch für mich) ein sehr unerwartetes negatives Feedback in den Kommentar-Sektionen der Tagesmedien sowie von einigen Reportern selbst kam (allein im bereits verlinkten Standard Artikel waren noch am selben Tag 2000 Kommentare zu finden – großteils polemisch und fassungslos). Hier sah man sich gezwungen, zu betonen, dass Schweizer Taschenmesser und dergleichen nicht unter das Gesetz fallen würden, da sie ja mit zwei Händen zu öffnen wären.
Es wird sehr schnell klar, dass man hier noch nicht weiß, was man will und was man umsetzen kann. Allein schon, weil politische Entscheidungsträger:innen es nicht einmal schaffen, eine einheitliche Begrifflichkeit an den Tag zu legen. Einmal wird von Waffen geredet, dann nur von Messer. Dann wird betont, dass man Schusswaffen nicht einschränken will, sondern nur Messer. Und dann legt man noch nach, dass Messer, die mit beiden Händen zu öffnen sind, nicht betroffen sind.
Die Debatte um das Waffen- und Messerverbot, bzw. das Messertrage-Verbotsgesetz hat nur eines gezeigt. Man darf den Wortmeldungen politischer Verantwortlicher nicht trauen. Denn letzten Endes wurde beschwichtigt, dass niemandem das Jausenmesser (wieder einmal eine bewusste Formulierung zur Verwischung der Begrifflichkeiten) weggenommen werden soll.
Mit Blick auf den aktuellen Entwurf des MT-VG muss man jedoch sagen: Es sind ALLE Messer betroffen und JEDER Bürger und JEDE Bürgerin sieht sich auf Basis dieses Gesetzesentwurfs mit einer potentiellen Kontrolle im Alltag konfrontiert.
Weitere Schritte
Der Text ist tatsächlich erst ein Entwurf, der noch von den Regierungsparteien verhandelt werden muss und dann in die parlamentarische Begutachtung gehen wird. Sobald dies passiert, kann man auf der Homepage des Parlaments als Staatsbürger:in dazu Stellung nehmen.
In den Medien wurde bereits erwähnt, dass ein genauer Zeitplan noch nicht bekannt ist!
Alle die sich weiter informieren bzw. aktiv werden wollen, mögen sich folgenden Verein näher anschauen:
https://messerverbot-nein-danke.at/
Resümee
Der aktuelle Entwurf des Messertrage-Verbotsgesetz ist ein ausführlicher Gesetzestext, der versucht, so viele Aspekte wie möglich einzufangen, mit dem Ziel, wenig Gegenargumentation zu bieten.
Was hier ausdrücklich erwähnt werden muss:
Es ist ein Entwurf, der gezielt geleakt wurde. Aufgrund der aktuellen politischen Skandale kann man darin also einen potentiellen PR-Stunt sehen, um entweder von einer Diskussion abzulenken oder sich selbst in einem besseren Licht zu positionieren.
Grundsätzlich ist die aktuelle Gesetzeslage absolut ausreichend, um gegen die derzeitige Verbrechenswelle vorzugehen. Es fehlen jedoch die finanziellen und personellen Kapazitäten und teilweise auch der politische Wille (ideologisch begründet, an manchen Stellen unseres Systems), um die vorhandenen Mittel umzusetzen.
Es stellt sich somit die Frage: Wofür braucht es mehr Befugnisse und Gesetze, wenn die aktuell vorhandenen nicht durchgesetzt werden.
Überspitzt formuliert, benötigt man mit diesem Gesetzentwurf eine Waffenbesitzkarte (ein Waffendokument, das den Besitz von Schusswaffen regelt), um ein Schweizer Taschenmesser im urbanen Alltag in der Hosentasche mit sich führen zu können.
Das ist der aktuelle Stand der Dinge, auch wenn es Lippenbekenntnisse gibt, dass dem nicht so sein wird.
Aus diesem Grund ist der Gesetzestext als unverhältnismäßig einzustufen. Man hat schlichtweg weit über das Ziel hinausgeschossen.
Anhang:
Der Gesetzesentwurf:
Mein Dank an alle, die mir mit Feedback zur Seite standen!
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